Bremer Babbeler – zur Geschichte einer Bremensie
Der "längste Hustenbonbon der Welt" kommt aus Bremen-Walle und wird heute noch in Vegesack Fähr-Lobbendorf produziert
Der Bremer Babbeler, den man wegen seines Pfefferminzgehaltes auch scherzhaft als den längsten Hustenbonbon der Welt bezeichnet, wurde 1886 von dem Utbremer Konditormeister und Bonbonkocher Albert Friedrich Bruns erfunden.
So sieht er eingewickelt aus: der echte Bremer Pfefferminz-Babbeler, ursprünglich aus Utbremen/
Bremen-Walle stammend, wird er bis zur heutigen Zeit in Vegesack nach traditioneller Art produziert.
Bruns Bonbon- und Zuckerwarenfabrik
in Utbremen im Doventorsteinweg 94
der heutigen Landwehrstraße
Die Produktionsstätte der Firma Bruns war im Doventorsteinweg 94 (in der heutigen Landwehrstraße) untergebracht. Ob der Erfinder seinem Produkt schon den Namen "Babbeler" gab, ist nicht bekannt.
Man geht davon aus, dass der Volksmund der Zuckerstange diesen Namen gab, weil man sie zum Genuss ständig im Mund (plattdeutsch: "Babbel") lassen musste und sie dabei ziemlich klebrig wurde.
Wegen der Beliebtheit dieses typischen Bremer Naschwerks entstand schon in den 20er-Jahren
in Walle eine zweite Produktionsstätte.
Es handelte sich um den Betrieb der Firma Friedrich Germann am Steffensweg 148.
In den 30er-Jahren entstand dann auch in Gröpelingen eine Babbeler Fabrik. In der Goosestraße 49 produzierte der Bonbonkocher Karl Klarholz den sogenannten Hansa-Babbeler.
Die Betriebsstätte ist noch heute erkennbar, obwohl hier längst keine Süßwaren mehr hergestellt werden.
Verlagerung der Produktion nach Bremen-Nord und in die Neustadt
Durch die Bombenangriffe der Alliierten im Jahr 1944 wurde der Bremer Westen weitgehend zerstört. Nach dem Krieg wich die Firma A. F. Bruns nach Bremen-Nord aus und die Firma Germann verlagerte ihre Produktion in die Bremer Neustadt, wo sie noch heute existiert.
Lediglich die Firma Hansa-Babbeler in der Goosestraße baute an gleicher Stelle wieder auf. Sie erhielt aber bald Konkurrenz durch den Kaufmann Friedrich Reichert, der in der Liegnitzstraße 61 ebenfalls eine Babbelerfabrikation begann.
Die traditionelle Herstellung des Babbelers
Der Bonbonkocherkessel
Der Bonbonkocherofen
Wie man sich eine solche Fabrikation vorzustellen hatte, zeigen die Fotos.
1. In einen Kupferkessel gab man losen Rohrzucker und fügte soviel Wasser dazu, dass die Oberfläche des Zuckers gerade bedeckt war und er beim Rühren einen Brei ergab.
2. Auf einem Ofen wie diesem (siehe rechts) wurde der Zuckerbrei unter ständigem Rühren gekocht, bis er ein karamelfarbenes Aussehen bei einer Temperatur von 138 Grad Celsius erreicht hatte.
Pfefferminzöl als
Beigabe zur
Erzeugung des
typischen Geschmacks
3. Nun wurde in der Masse zusatzlich Glucosesirup in einem Anteil von ca 50% verrührt und erneut bis auf 138 Grad Celsius erwärmt.
4. Danach kam der Clou des Bonbonkochers. Er fügte der kochenden Zuckermasse eine genau dosierte Menge an Pfefferminzöl zu, dessen Menge in den verschiedenen Betrieben varierte und die den herstellertypischen Babbelergeschmack erzeugte.
Verarbeitung der karamelisierten
Bonbonmasse auf dem Kühltisch,
eine mit Wasser gekühlte Eisenplatte
5. Einzelne Firmen gaben der Bonbonmasse noch andere Zusätze bei, deren Zusammensetzung allerdings Betriebggeheimnis war.
6. Nun wurde die Masse auf eine mit Wasser gekühlte Eisenplatte gegossen und kurz danach wie Brotteig geknetet, bis die Bonbonmasse die geeignete Konsistenz zur Weiterverarbeitung hatte.
7. Gelernte Bonbonkocher entnahmen dem Babbelerteig einen Strang und legten diesen über einen sog. Zuckerhaken, der an der Wand befestigt war. An der Fließgeschwindigkeit, mit der die Masse vom Haken heruntertropfte, erkannten sie, ob die richtige Konsistenz erreicht war.
Eine Babbeler-Formmaschine aus dem
Jahr 1952, wie sie auch heute noch
benutzt wird
8. Der Babbelerteig musste nun nur noch in die Zuckerstangenform gebracht werden. Dies geschah in den meisten Betrieben mit einer handbetriebenen Prägewalze.
9. Zuguterletzt wickelte man (ebenfals per Hand) die Stangen in Pergamentpapier ein.
Produktionsvarianten des Babbelers und frühe Marketingideen
Friedrich Reichert stellte als erster den Babbeler in Bonbonform her. Wenn er seine Erzeugnisse nicht über den Ladentisch verkaufte, dann wurden sie zusammen mit anderen Süßwaren in Bremen und Umgebung mit einem DKW-Kleintransporter ausgeliefert.
Bei der Babbelerproduktion gab es häufig Reste, die - einmal erstarrt - weder als Bonbons noch als Stangen verkauft werden konnten. Sehr zum Ärger der Fabrikanten, da der Rohstoff Zucker in der Nachkriegszeit schwer zu beschaffen war!
Ehefrau Minna Reichert kam deshalb auf den Gedanken, die Reste zu zerkleinern, in Papiertüten abzufüllen und als Babbelerbruch für 10 Pfennig je Tüte zu verkaufen.
Dieses Erzeugnis war zeitweise der Renner in dem kleinen Kolonialwarenladen in der Liegnitzstraße.
Babbeler werden heute in Gröpelingen nicht mehr produziert. Die einzigen Fertigungssstätten sind nur noch die Firma Germann in der Neustädter Kornstraße und die Firma Bruns in der Bertholdstraße in Bremen-Nord.
Traditionelle Babbeler-Manufaktur in Fähr-Lobbendorf/Vegesack
Friedrich Bruns fertigt in Vegesack
noch Babbeler in Handarbeit
Die letztere Firma haben wir besucht.
Dort fanden wir alles wieder, was zu einer traditionellen Babbeler-Manufaktur gehörte.
Friedrich Bruns ist der Enkel des Firmengründers und wie sein Großvater und sein Vater gelernter Bonbonkocher. Die Prüfung dazu legt man im Rahmen einer Konditor- oder Zuckerbäcker-Ausbildung ab. Der 80-jährige fertigt noch heute Babbeler in bewährter Handarbeit an und liefert sie selber aus. Er kann sich noch gut an die die Zusammenarbeit mit den Gröpelinger Firmen in der Nachkriegszeit erinnern, da man gemeinsam den Zucker besorgen musste.
Erhältlich sind die Babbeler traditionsgemäß auf dem Bremer Freimarkt und natürlich auf dem Vegesacker Markt. Das ganze Jahr über kann man sie an einigen Kiosken in der Innenstadt und in fast allen Bremer Apotheken erwerben, wie z. B. beim Gröpelinger Apotheker Ingo Tepe (Germann-Babbeler) oder in Vegesack in der Rosen-Apotheke/Lindenstraße (Bruns-Babbeler) die von Herrn Bruns noch persönlich zu Fuß beliefert wird.
Beitrag und Fotos: Günter Reichert – Geschichtswerkstatt Gröpelingen
Website der Geschichtswerkstatt Gröpelingen
Mehr zum Babbeler auf geschichtswerkstatt-groepelingen.de
Der Bremer Babbeler in Literatur und Film
Auch in der Literatur hat der Babbeler seinen Einzug gefunden.
Für Bremer Lokalpatrioten ein Muss: Der Krimi "Babbeler für Stelljes" von Heinz-Detlef Scheer!
Die Geschichtswerkstatt Gröpelingen hat einen Film zur Geschichte und Produktion des Bremer Babbelers produziert, der im Sommer 2009 mehrfach bei RadioWeser.TV ausgestrahlt wurde.
Buten un Binnen Sendung zur Bremensie Babbeler im Web
Einen Fernsehbeitrag leistete Radio Bremen in seinem Vorabendmagazin Buten un Binnen vom 15.08.2009. Hier wird die seit dem 2. Weltkrieg in der Neustadt ansässige Firma Friedrich Germann vorgestellt, die heute noch neben anderen Zuckerwaren ca. 10000 Babbelerstangen wöchentlich, sowie weitere Babbelerprodukte wie Bonbons produziert.
In einem anschließenden Interview gibt der bremer Experte für alles Wissenswerte rund um den Babbeler, Günter Reichert, weitere Auskünfte über diese mittlerweile selten gewordene Leckerei. Der TV-Beitrag hat eine Länge von ca. sechseinhalb Minuten und kann über die Website der ARD (siehe Link unten) abgerufen werden.
Zur Radio Bremen / Buten un Binnen Produktion vom 15.08.2009 über den Babbeler